Alles nur ChatGPT
Bin ich Robo bin ich Coach-Bot oder ChatGPT oder ich?
"I love you. You'are married?" Kevin Roose beschrieb seine irritierenden Erfahrungen mit dem ChatGPT von OpenAI in der NYT.
Wer war irritiert? Was irritierte? In unserem sozialen Miteinander würden wir sagen: der ChatGPT hat sich total daneben benommen. Und würden unsere moralische Wertung des Verhaltens auf die Maschine übertragen.
Kernelemente von Coaching
Das klassische Coaching ist ein klarer, ja strenger Prozess. In den allermeisten Coaching-Ansätzen gilt: die eigene Wertung und Bewertung als Coach gehört nicht in einen Coachingprozess. Das ist ein schwieriger Lernprozess für angehende Coachs, sind doch unsere Alltagsgespräche im Miteinander auf Empathie, Einfühlen, Mitfühlen, Nachvollziehen und emotionales Spiegeln aufgebaut.
Unsere Spiegelneuronen im Gehirn regen zur Nachahmung an, das betrifft auch das Lachen, wenn wir lachende Menschen sehen, wir weinen, wenn wir weinende Menschen sehen, wir neigen dazu zu lächeln, wenn uns jemand auf der Straße oder im Geschäft anlächelt, was ja selten genug geschieht.
Wir Menschen sind aufeinander bezogen. Wir gehen aufeinander ein. Wir drücken unser Mitgefühl aus, wir klinken uns in Gedanken und Gefühle des anderen ein mit Worten wie das kenne ich... ja, genau das habe ich auch schon erlebt... neulich habe ich ein guten Podcast gehört, der hilft wirklich.... So könnte die Unterhaltung unter Freundinnen und Freunden sein.
Im Coaching sind solche mitfühlenden Bewertungen selten hilfreich. Im Coaching werden die Eigenverantwortung und die Selbstreflexion des Klienten unterstützt, nicht die freundschaftliche Bewertung von Du-zu-Du. .
Hingegen stellen Sie als Coach Fragen, offene Fragen, regen mit guten Fragen die oder den Coachee zum Nachdenken an, fragen und unterstützen die oder den Coachee, eigene Lösungen zu entwickeln und Handlungsschritte zu entwerfen und Dimensionen eigener Verantwortung zu erkennen.
Das könnte ein Coaching-Bot auch - oder?
Unter KI Blickwinkel sind bestimmte Coaching-Ansätze fast prädestiniert für Coaching-Bots: Offene Fragen stellen. Fragen, welches das relevante Thema für die Sitzung ist. Spiegeln (paraphrasieren), was der Coachee gesagt und gefragt hat. Lösungsfragen an den Coachee geben. Wieder paraphrasieren, wieder nachfragen. Handlungsräume vom Coachee durch gute Fragen entwerfen lassen, paraphrasieren, Umsetzungsschritte erfragen etc. Das wäre Coaching auf handwerklich ordentlichem Level.
Unter meinen kanadischen Kolleginnen und Kollegen erinnere ich eine Kollegin, die sich auf die Coachingsitzungen vorbereitete, indem sie sich völlig leer machte, wie sie es nannte. So könne sie auf der höchsten Ebene zuhören - nämlich ohne Wertungen und Interpretationen - und der oder dem Coachee den größtmöglichen (Entwicklungs-)Raum gewähren.
Nun, eine Maschine ist eine Maschine und ist gefüttert mit Unmengen Datensätzen über Coachingsitzungen und -prozessstrukturen. Die Maschine muss ihr moralisches Gewissen nicht neutralisieren, indem sie sich leer macht, denn da ist kein moralisches Gewissen, keine Würde, kein Mitfühlen (gemeint ist sinnliches Fühlen, nicht einfach bloß das Wort ich fühle aussprechen).
Menschliche Intelligenz vs. KI bzw. AI
Wir Menschen lernen mit dem Spracherwerb Bedeutungen, Zusammenhänge, Werte, kulturelle Ethik, wir scheiden Gut von Böse, erwerben Verhaltensmuster für soziales Miteinander - und beginnen, unsere sinnlichen Erfahrungen über die Welt-Erfahrung nach und nach in Worte zu kleiden.Die Maschine wird mit unzähligen Worten, Syntaxen, Logiken und menschlichem Welt-Wissen gefüttert, um möglichst realistisch zu simulieren. Inwieweit Künstliche Intelligenz (KI) tatsächlich mit menschlicher Intelligenz vergleichbar ist, bleibt jedoch fraglich. Schließlich spricht man bei Maschinen von KI oder Artificial Intelligence (AI) und nicht von menschlicher Intelligenz. In unserer reflexhaften Sorge, dass KI eines Tages den Menschen übertreffen könnte, vergessen wir dies oft.
Menschliche Intelligenz umfasst weitaus mehr. Nicht umsonst wird in Management-Büchern die soziale Intelligenz als eine entscheidende moralisch-ethische Kompetenz für Führung und Leadership hervorgehoben.
Die Reduzierung des physischen und räumlichen Kontakts zum Beispiel während der Corona-Pandemie hat vielfach auch zu sozialer Distanzierung geführt und emotionale Verkümmerung beim Menschen begünstigt. Noch immer leiden Viele, vor allem Jüngere, unter den Folgen.
Die Maschine jedoch würde einfach in der Ecke stehen, ausgeschaltet – dort würde nichts verkümmern.
Was könnte ein Coaching-Bot nun tatsächlich heutzutage leisten?
Ein Coaching-Bot für Online-Coaching kann dabei helfen, strukturierte Tools und Techniken anzuwenden, um Nutzerinnen und Nutzer bei der Reflexion, Zielsetzung und Problemlösung zu unterstützen. Er kann prozessorietierte Coaching-Fragen stellen und darüber Denkanstöße beim Coachee auslösen, er kann Fortschritte überwachen und Empfehlungen geben.
Ein Coaching-Bot eignet sich für Selbstreflexion und zur Unterstützung von Lernprozessen.
Ein Bot bietet jedoch keine tiefgehende emotionale Unterstützung oder die komplexe, zwischenmenschliche Interaktion, die ein menschlicher Coach bietet.
Ethik, Empathie und maßgeschneiderte, komplexe Problemlösungen sind Bereiche, in denen der Bot an seine Grenzen stößt. Und auch an seine Grenzen stoßen soll.
Denn es sind wir, die vor allem die ethischen Grenzen festlegen und die Güte und Qualität menschlicher Interaktion vorgeben.